mabuco ...bloggt - 07/2020

Online-Besprechungen – gekommen, um zu bleiben?

27. Juli 2020 | Serge Liechti

Es gab sie schon länger und sie wurden von vielen auch häufig genutzt – die Online-Besprechungen mit Hilfsmitteln wie Teams, Skype, Jitsi, Webex, Zoom usw. Einen richtiggehenden Schub in der Nutzung hat diesen Hilfsmitteln jedoch die gegenwärtige Pandemie verliehen – seit diesem Frühjahr kennen nicht nur Benutzerinnen und Benutzer von Grossunternehmen diese Hilfsmittel, sondern sie sind bis zum kleinsten KMU im Einsatz und bekannt.

Jetzt, wo alle diese Lösungen kennen – braucht es da überhaupt noch gemeinsame Treffen? Können wir nicht die komplette verbale Kommunikation in dieser Weise abwickeln und so durch weniger Reisezeit der Umwelt und dem eigenen Spesenkonto (wahlweise in umgekehrter Reihenfolge der Prioritäten) etwas Gutes tun? Mein persönliches vorläufiges Fazit ist, dass diese Kommunikationsmöglichkeiten in vielen Fällen tatsächlich auch in normalen Lagen genutzt werden können, sich aber nicht für jeden Einsatzzweck gut eignen.

Nachfolgend schildere ich meine schon länger gesammelten und in den letzten Monaten intensivierten Erfahrungen.

The Good

Diese Art von Besprechungen eignen sich meiner Meinung nach hervorragend für eine digitale Zusammenkunft:

  • Statusmeetings – ein gemeinsamer Abgleich über die Ergebnisse einer bestimmten Periode, Aufzeigen von Problemen, das Besprechen des weiteren Vorgehens. Das geht sehr gut und wenn nichts zu präsentieren ist, auch über eine reine Voice-Verbindung. Um die Besprechung effizient zu halten, empfehle ich, hier vor der Besprechung eine Agenda festzulegen, die abgearbeitet wird. Als Besprechungsleiter sollte man darauf achten, dass auch eher zurückhaltende Teilnehmerinnen und Teilnehmer zumindest die Chance haben, sich zu äussern. Falls sie sich selbst nicht einbringen, kann man ihnen auch aktiv das Wort erteilen, sollte sie dabei aber nicht nötigen, sich umfassend äussern zu müssen und ein "ich habe nichts" oder "für mich ist alles in Ordnung" akzeptieren.
     
  • Gemeinsame Besprechung oder Bearbeitung von Dokumenten – kurz, ob wir nun gemeinsam um einen Tisch sitzen und alle auf das Bild des Projektors oder Bildschirms an der Wand gucken, oder ob wir das gleiche Bild vor dem eigenen Bildschirm betrachten, spielt eigentlich keine Rolle. Sehr hilfreich ist es, wenn hier eine Collaboration-Plattform zur Verfügung steht, so dass Teilnehmer nicht nur zuschauen, sondern aktiv mitarbeiten können. Aber das "klassische" Modell, dass eine Person als Aktuar amtet und die weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Meinungen und Statements verbal einbringen, funktioniert auch. Wie im Anwendungsfall Statusmeeting muss auch hier darauf geachtet werden, dass keine "stille Zuhörerinnen oder Zuhörer" entstehen, sondern dass alle teilnehmenden Personen ihre Meinung aktiv kund tun, auch wenn es nur eine abgeholte Zustimmung ist, denn die Personen nehmen ja hoffentlich aus einem triftigen Grund teil, ansonsten wäre das der allseitigen Effizienz nicht förderlich (das gehört aber nicht hier in diesen Beitrag).
     
  • Präsentation oder Webinar – eine Person präsentiert Inhalt und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nehmen die Inhalte auf, stellen verbal oder per Chat-Funktion Fragen, die durch die präsentierende Person aufgenommen und beantwortet werden können. Insbesondere wenn das Publikum über grosse Distanzen verteilt ist, ist in diesem Fall die Online-Form einer physischen Zusammenkunft klar vorzuziehen. Zu beachten ist, dass hier keine Monster-Meetings abgehalten werden, da sonst das Publikum geistig die Präsentation verlässt – teilweise auch physisch, durch drücken des roten Knopfs. Wenn längere Präsentationen notwendig sind, so empfehle ich, diese in einzelne "Kapitel" zu unterteilen, so dass in sich abgeschlossene Einheiten konsumiert werden können.

The Bad

Bei dieser Art der Zusammenarbeit bin ich der Meinung, dass die Grenzen des sinnvollen Einsatzes überschritten wurden:

  • Workshops, in denen gemeinsam etwas erarbeitet werden soll, funktionieren meiner Erfahrung nach sehr schlecht. Die Pinnwand oder das analoge Whiteboard kann man zwar mit Tools wie (Microsoft) Whiteboard, Miro oder ähnlichen Hilfsmitteln digital ersetzen, aber der Prozess, bis das Kärtchen oder der Post entsteht, ist ein anderer. Oftmals in solchen Workshops denken die Teilnehmenden laut und ergänzen sich oder tauschen sich aus, bevor sie ihr Statement aufschreiben und abgeben. In der Onlinewelt geschieht dies nicht. Die akustische Überreizung in den Headsets wäre immens, wenn diese Art des recht ungeregelten Austauschs stattfinden würde, deshalb verzichten intuitiv alle darauf. Was auch fehlt, ist die sofortige verbale oder nonverbale Reaktion auf einen publizierten Beitrag. Das kann ein Ausruf sein ("stimmt doch gar nicht!" oder "genau!"), es kann aber auch nur ein Kopfschütteln oder Augenrollen sein, welche dem Moderator oder der Moderatorin signalisieren, dass hier ein Klärungsbedarf besteht und man diesen Punkt thematisieren muss. Diese Art der Kommunikation findet auch mit eingeschalteter Webcam nicht statt und die spontanen Zwischenrufe sind bei Online-Konferenzen sehr selten.
     
  • Erstes Kennenlernen – der erstmalige Kontakt mit einer fremden Person, sei es für "Networking", oder aber zur Besprechung von potenziellen gemeinsamen Vorhaben, eignet sich meiner Meinung nach sehr schlecht, wenn er lediglich online stattfindet. Da hilft auch ein guter Avatar oder ein makelloser Kamerahintergrund nichts. Das Sprichwort sagt zwar, "you never get a second chance to make a first impression" - der Eindruck, den man hinterlässt, ist aber nicht besonders nachhaltig. Es muss den Teilnehmern gelingen, in kurzer Zeit allen klar zu machen, warum man sich an sie erinnern sollte, denn sonst stellt man nach Beendigung des Meetings im besten Fall einen weiteren Kontakt im CRM oder persönlichen Adressbuch dar, mehr aber auch nicht. Dieser berühmte "erste Eindruck" ist viel nachhaltiger, wenn man sich von Angesicht zu Angesicht ausgetauscht hat, vielleicht gemeinsam gescherzt hat, einen Kaffee getrunken hat oder ähnliches.

The Ugly

Muss natürlich kommen, Sergio Leone würde das sonst nicht goutieren. Spass beiseite - diese Art der Besprechung kann sowohl online wie offline durchgeführt werden, die Online-Durchführung ist jedoch für mich persönlich nicht ideal:

  • Kickoffs – grundsätzlich liesse sich hier der Inhalt sehr gut in einem Onlinemeeting bearbeiten, da in der Regel, wie bei der Präsentation oder dem Webinar, eine Person etwas präsentiert und eine Anzahl von Personen dieser Präsentation (hoffentlich) folgt. Bei einem Kickoff-Meeting ist es jedoch oftmals so, dass sich Menschen aus unterschiedlichen Abteilungen oder gar Firmen, die künftig gemeinsam an einem Vorhaben arbeiten, zum ersten Mal begegnen. Der soziale Aspekt des Kennenlernens, sich vor oder insbesondere nach dem offiziellen Meeting noch im Smalltalk austauschen zu können, Details zu vermitteln oder von den anwesenden Personen mehr zu erfahren, funktioniert für mich über Kamera und Mikrofon einfach nicht. Somit kann diese Art des Meetings in pandemiebedingten Ausnahmesituationen durchgeführt werden, wenn aber eine normale Lage herrscht, versuche ich das klar zu vermeiden.

Fazit

Im Titel stelle ich die Frage, ob die Telefon- und Videokonferenzen gekommen sind, um zu bleiben und stelle somit auch in den Raum, ob sie nach Abklingen der gegenwärtigen Pandemie wieder nur noch von einem begrenzten Benutzerkreis eingesetzt werden. Ich denke, sie sind gekommen, um zu bleiben - aber sie sind nicht das Hilfsmittel für jede Art gemeinsamer Kommunikation. Ich denke, dass in Zukunft mehr Meetings digital abgehalten werden, als dass dies noch vor einem Jahr der Fall war (die Umwelt und das Spesenbudget danken es) und das begrüsse ich persönlich auch sehr. Die physische Zusammenkunft ist aber glücklicherweise nicht komplett von gestern, sondern hat weiterhin ihre Berechtigung.

Was ist eure Meinung zu meinen persönlichen Erfahrungen? Teilt ihr die, oder habt ihr andere Erfahrungen gemacht? Ich freue mich auf Rückmeldungen (blog(at)mabuco.ch)!

Wir fühlen den Puls der Zeit, Sie auch?

Ihr mabuco Team